Brauchst du das wirklich? Dies ist eine Frage, die sich meine Großeltern permanent gestellt haben, die aber der heutigen Konsumgesellschaft zumeist verloren gegangen ist. Der Kanadier McSween hat dieser Frage ein ganzes Buch gewidmet und beleuchtet mit dieser Frage sehr unterschiedliche Themenbereiche. Dabei geht es nicht nur um reinen Konsum, sondern um die ganze Lebensgestaltung mit den persönlichen Werten. Es handelt sich nicht nur um eine rhetorische Frage, die grundsätzlich mit „nein“ zu beantworten wäre, sondern oft auch um eine tatsächlich grundständige Frage. Ausbildung, Studium, Familie? Die Fragen sollen zum Nachdenken anregen und dienen so als Ratgeber, seine Ausgaben oder gar seine ganze Lebensplanung zu überdenken.
Der Inhalt des Buches ist abwechslungsreich gestaltet. Es geht keineswegs zuerst um Haus, Auto, Boot, sondern immer auch um Lebensqualität (die nicht mit Haus, Auto, Boot gleichzusetzen ist!). Wie sieht es aus mit Bequemlichkeit, Ausgeglichenheit, Liebe? Natürlich werde auch die heutigen „Selbstverständlichkeiten“ behandelt. Selbstverständlich haben wir einen Konsumkredit für den überdimensionalen Fernseher, immer die neuste Technik und tragen natürlich Mode, die gerade „in“ ist. Es geht um Überlegungen zu Kreditkarten, das Abwägen derer Vor- und Nachteile und in welche finanzielle Fallen damit verbunden sind. Brauchst du den Kreditrahmen wirklich? Wenn nicht, reduziere das Kreditlimit und nutze sie nur als Zahlungsfunktion.
Natürlich werden auch die Standard-Fragen behandelt: Muss es wirklich ein neues Auto sein? Reicht nicht ein gebrauchtes? Brauchst du überhaupt ein Auto? Musst du immer alles neu kaufen? Reicht nicht auch gebraucht oder geliehen? Wieviel Besitz häufst du im Laufe der Jahre an und ist der wirklich notwendig? Besitz verpflichtet auch: Lagerung, Wartung, Pflege – das alles kostet nicht nur Geld, sondern auch Zeit.
Darüber hinaus gibt es nachdenkliche Kapitel: Brauchst du finanziellen Spielraum? Wie möchtest du überhaupt leben, was möchtest du dir wann leisten können. Brauchst du eine Balance zwischen Arbeit und Familie? Wie schaffst du das? Und musst du auf andere Menschen hören? Weil „man“ das so macht?
Es wird auch etwas heikel: Musst du wirklich heiraten? Und musst du wirklich jede Einladung zu einer Hochzeitsfeier annehmen? McSween bedenkt bei diesen Fragen viele „Opfer“, die zeitlich als auch finanziell erbracht werden müssen – sowohl für die zukünftigen Eheleute als auch für die Gäste. Auch die Finanzen in einer Partnerschaft können zu vielen Konflikten führen und müssen geklärt werden – auch wenn es unromantisch klingt. Gerade bei unterschiedlichen Einkommen und Bedürfnissen gibt es da viel Konfliktpotenzial. Auch die Frage „Brauchst du Kinder“ klingt erstmal provokativ, ist aber tatsächlich eine Frage, die sich junge Paare stellen müssen, sowohl finanziell als auch vom Zeitmanagement. Und Mutter Natur macht es nicht immer so, wie wir das gerne hätten – von wegen ein Kind und dann sind’s Drillinge.
Das Kapitel zum Thema Schulden beleuchtet natürlich die Frage der Investition versus Verbindlichkeit. Eine Investition bringt Geld (vermietete Immobilien, Aktien), eine Verbindlichkeit kostet Geld (eigengenutzte Immobilie, Auto, sämtliche Konsumkredite). Viel entscheidender für die meisten Menschen ist aber die Frage, ob man nicht über seine Verhältnisse lebt, sobald Konsumschulden getätigt werden. McSween geht diesen Überlegungen nach und wägt Lösungsmöglichkeiten ab. In einem weiteren Kapitel wird der Weg aus den Schulden zur Sprache gebracht. Zum Thema Schulden gehört für viele leider auch das Reisen. Wir alle wollen mal Urlaub machen, raus, die Welt sehen. Aber zu welchem Preis? Zum Preis, im Alter vom Staat zu leben und sich rein gar nichts mehr leisten zu können
Schließlich wird auch auch das Investmentmanagement beleuchtet. Ja, jeder Mensch sollte investieren, besonders zur Altersvorsorge. Dies nicht zu tun ist für McSween ein größeres Risiko als in risikoreichere Anlagen als dem normalen Konto zu investieren. Die Investitionen zu managen bedeutet, sich mit seinen Finanzen zu beschäftigen – oder eben die Kursschwankungen von Aktien auch mal auszuhalten und nicht gleich den Schwanz einzuziehen, um dann am Ende letztlich mehr Vermögen zu haben.
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Mehr InformationenFazit
Dieses Buch hat mir richtig gut getan. McSween ist schonungslos ehrlich und beleuchtet alle Fragen von zwei Seiten. Seine Ausgaben und Investitionen zu überdenken hat nichts mit Geiz zu tun sondern mit Lebensqualität und der Frage, was ich wirklich brauche, um ein glückliches Leben zu führen – und auch im Alter führen zu können, also mit Weitsicht zu handeln. Manche Kapitel haben mich nachdenklich gemacht hinsichtlich Überlegungen zu persönlichem Risikomanagement und Verpflichtungen. Es ist mir noch mal deutlich geworden, was bei mir immer unausgesprochen im Hintergrund mitschwirrte: Nicht zu sparen, nichts zurückzulegen ist ein extrem großes Risiko im Hinblick auf die Zukunft. Denn ich weiß nicht, was kommt, wieviel Geld ich mal benötigen werde. Im Hier und Jetzt zu leben und nicht an sein späteres Ich zu denken – dieses Risiko mag man in jungen Jahren eingehen wollen. Aber denkt das spätere Ich genauso? Möchte das spätere Ich womöglich 30-40 Jahre lang auf Staatskosten dahinsiechen? Risiko.
Und es ist mir noch mal deutlich geworden, wie sehr Besitz verpflichtet und welche Ausmaße Besitz nicht nur finanziell, sondern auch zeitlich einnimmt. Viele Menschen meinen ja, es sei zeitsparender, alles, was sie benötigen, einfach neu im Laden zu kaufen. Keine Suche nach Gebrauchtwaren, keine Wege um Leihgegenstände zu holen und wieder wegzubringen. Doch für jeden Gegenstand benötige ich einen Lagerplatz bei mir zu Hause, sodass die Wohnungen immer größer und teurer werden. Jeder Gegenstand mehr im Haus lässt mich mehr aufräumen und putzen – und manchmal kommen noch Wartungskosten hinzu. Und jeder Gegenstand kostet mich beim jährlichen Ausmisten mehr Zeit. Und ich persönlich mag zudem überschaubare und aufgeräumte Wohnungen und verzichte gern auf vollgestopfte Möbel. Hier muss ich mir jetzt und in Zukunft immer wieder die Frage stellen, ob ich einen Gegenstand wirklich selbst besitzen muss und möchte, oder ob es nicht auch anders geht.
Für wen ist das Buch? Alle, die sowieso sparsam leben, werden sich bestätigt fühlen und bekommen darüber hinaus einiges deutlich auf den Punkt gebracht, was helfen mag, seine sparsame Linie fortzuführen. Wer bisher weniger zurückgelegt hat und mehr sparen möchte, kann aus diesem Buch denke ich sehr viele Überlegungen für sich mitnehmen. Die Fragen in dem Buch sind wirklich ernst gemeint und kein Aufruf, ab sofort wie ein Mönch zu leben. Sondern zu reflektieren, was für einen persönlich wirklich wichtig ist – und was eben nicht.
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